Aktuell gibt es kaum einen Ort auf der Welt, der von der Coronakrise nicht betroffen ist. Weltweit stehen Familien vor neuen Herausforderungen – die Kitas und Schulen sind geschlossen, zahlreiche Eltern üben sich im Spagat zwischen Homeoffice und gelangweilten Kindern und zudem ist der Bewegungsfreiraum für alle Familienmitglieder extrem eingeschränkt. Doch wie gehen deutsche Familien mit diesen Herausforderungen im Ausland um? In einem „fremden“ Land, dessen Kultur und Sprache sie nicht gänzlich verstehen?
Josi und ihr Mann Olaf (vom Blog Backpack Baby) leben mit ihrer Tochter bereits seit ein paar Jahren in Thailand. Auch diese Familie musste erstmal mit den Veränderungen in Thailand zu Coronazeiten zurechtkommen. Doch während die meisten Eltern sich aufgrund der weltweiten Coronakrise entschieden haben, ihre Langzeitreise oder gar Weltreise mit Kind abzubrechen, war für Josi und Olaf schnell klar: «Wir bleiben weiterhin in Thailand mit unserem Kind». Schließlich ist ja für die junge Familie Thailand ihre neue Heimat – und nicht mehr Deutschland. Als ich auf ihrem wunderschönen Instagram-Profil backpack_baby, den ich euch übrigens soooooo sehr empfehlen kann, von ihrem Entschluss erfahren habe, kreisten in meinem Kopf zahlreiche Fragen dazu. Und genau diese Fragen habe ich Josi auch gestellt …
Kurze Info: Dieser Artikel ist Teil einer kleinen Serie «Corona – gestrandet als Familie in einem anderen Land», in der Eltern von ihren Erfahrungen und Emotionen erzählen, als sie die Auswirkungen der Coronasituation und der unerwartete Lockdown plötzlich auf Reisen erwischt hat. Hier findest du alle Geschichten:
- Corona in Südamerika: Wie mein Kind & ich im letzten Moment aus Paraguay wegkamen
- Corona: gestrandet in Argentinien – eine Familie erzählt
- Bolivien – und plötzlich sieht die Welt ganz anders aus!
- Indien – unsere Erfahrungen und warum wir in Indien bleiben
- Mexiko – diese Familie musste (vorerst) ihre Weltreise abbrechen
Liebe Josi, du, deine Tochter Lola und dein Mann Olaf seid bereits seit drei Jahren auf Reisen. Magst du kurz über euch und euer Leben erzählen?
Gern. Eigentlich hatten wir nie geplant, so lange auf Reisen zu sein. Wir hatten damals eine wahnsinnig anstrengende Babyzeit mit unserer Tochter und der Wunsch nach einem Ausbruch aus den Routinen wurde immer stärker. Irgendwann bin ich dann tatsächlich eines Morgens aufgewacht und hatte das ganz klare Gefühl: „Wir müssen reisen!“ Keine 4 Wochen später hatten wir unsere Wohnung untervermietet, unsere Sachen verkauft oder in Kisten gepackt und saßen mit unserer knapp Einjährigen im Flieger nach Taiwan. Wir hatten uns zufällig die heißeste Zeit des Jahres für Taipeh ausgesucht und alles war fremd. Trotzdem ging es uns so gut wie nie zuvor. Wir hatten endlich mal so richtig Zeit füreinander. Haben die exotischen Früchte und Nachmittage am Meer so genossen. Nach wenigen Monaten und mehreren Reisestopps war klar, dass wir dieses Leben nicht mehr aufgeben wollten. Irgendwie hatte sich die anstrengende Babyzeit in ein wunderbares Familienabenteuer verwandelt. Also haben wir begonnen, zu recherchieren, wie wir in Zukunft dieses Leben weiterführen könnten. Und sind irgendwann auf den Begriff „digitale Nomaden“ gestoßen. Dahinter verbergen sich im Grunde alle möglichen Berufe, die man auch online und ortsunabhängig ausführen kann. Da Olaf ohnehin schon als Journalist für ein Gartenmagazin gearbeitet hat, hatten wir einen Ansatzpunkt. Inzwischen leben wir von Olafs journalistischen Tätigkeiten für ganz verschiedene Magazine und ich schreibe und arbeite als Social Media Manager. Diesen Weg zu finden, hat eine ganze Weile gedauert und war mit vielen Rückschlägen verbunden – aber inzwischen leben wir genau das Leben, dass wir uns damals in Taiwan am Strand so sehnlichst erträumt hatten.
Eure Homebase ist ja in Thailand – warum habt ihr euch als Familie für ein Leben in Thailand entschieden?
In Thailand sind wir tatsächlich eher zufällig gelandet. Unsere Reise war ursprünglich als Weltreise geplant. Doch mit kleinem Kind im Gepäck haben wir sehr fix gemerkt, dass das schnelle Reisen nichts für uns ist. Wir brauchen Zeit, um uns mit einem Ort, einer Kultur vertraut zu machen. Und Lola braucht Zeit, um sich irgendwo ein wenig heimisch zu fühlen. Nach 5 Monaten Reise waren wir über Taiwan und Vietnam nach Thailand gelangt und sind tatsächlich einfach dem Tipp von einer netten Familie im Restaurant gefolgt. „Wir fahren morgen nach Pai, kommt ihr mit?“ Irgendwie war das einer dieser Momente, in denen man nicht lange nachdenken muss, weil sich alles so richtig anfühlt. Die andere Familie war nett, die Kinder mochten sich und unser Zimmer in Chiang Mai war ohnehin fast abgewohnt. Also packten wir unsere Siebensachen und fuhren nach Pai. Obwohl wir die nächsten 2 Wochen mit der schlimmsten Lebensmittelvergiftung aller Zeiten im Bett lagen, haben wir uns in den kleinen Bergort verliebt. So sehr, dass wir nach einem Monat Indonesien einfach zurückkommen mussten und nach unserer Findungsphase in Deutschland als frische digitale Nomaden direkt wieder dahin zurück wollten. Wir haben uns also nicht unbedingt für Thailand entschieden, sondern für diesen einen kleinen Ort, an dem wir uns vom ersten Moment an so wahnsinnig zuhause gefühlt haben. Aber es spricht auch sonst sehr viel für Thailand mit Kind: Das Essen ist grandios und dabei günstig, die Menschen sind freundlich und sehr kinderlieb und die Landschaft ist vielfältig und sagenhaft.
Corona in Thailand – wie sieht die aktuelle Lage vor Ort aus?
Im Moment ist das öffentliche Leben so ziemlich zum Erliegen gekommen. Bars, Restaurants und Schulen haben schon seit 2 Wochen geschlossen, Versammlungen sind nicht mehr erlaubt. Ansonsten hat sich allerdings wenig geändert. Die Stimmung hier ist weiterhin sehr entspannt und Menschen mit Masken sind hier ja ohnehin kein seltenes Bild. In Thailand gilt: Wer sich krank fühlt, verlässt das Haus – wenn überhaupt – nur mit Maske und hält Abstand. Das war auch schon vor Corona so.
Inwiefern hat sich euer Alltag in Thailand mit Kind geändert? Und wie fühlt ihr euch dabei?
Wir bleiben jetzt viel zu Hause. Die Kita hat zu. Im Grunde denke ich, dass sich unser Alltag gar nicht so sehr von den vielen Deutschen in Quarantäne unterscheidet. Wir vermeiden den Kontakt zu anderen Menschen und hängen viel aufeinander. Unser Vorteil dabei ist allerdings, dass wir das Meer quasi direkt vor der Tür haben (wir wohnen gerade im Süden, auf Koh Phangan und nicht in Pai wegen der Smokey Season). Außerdem sind wir, was das Arbeiten zu Hause mit Kind angeht, bereits alte Hasen. Das hilft uns im Moment sehr.
Das Auswärtige Amt und die jeweiligen Botschaften im Land organisieren ja gerade Rückholaktionen, um Deutschen und anderen EU-Bürgern die Möglichkeit zu bieten, wieder nach Hause kehren zu können. Ihr habt euch als Familie entschieden weiterhin in Thailand zu bleiben. Warum?
Dafür gibt es eine Handvoll Gründe. Zum Einen ist die Gesundheitsversorgung in Thailand tatsächlich viel, viel besser, als die meisten denken. Zum Anderen ist Thailand inzwischen unser Zuhause. Hier fühlen wir uns sicher, hier haben wir unser Netzwerk. In Deutschland haben wir weder eine Wohnung, noch eine dauerhafte Krankenversicherung. Da wir im Moment natürlich nicht zu unseren Eltern oder gar den Großeltern ziehen könnten, säßen wir auf der Straße.
Vor allem aber halte ich es gerade nicht für sinnvoll, zu reisen. Für die, die in Deutschland ihre Heimat haben, kann ich den Wunsch nach einer Rückkehr absolut verstehen. Für uns wäre es allerdings eher eine Art Urlaubsreise. Und sich gerade jetzt über die Reisedrehkreuze der Welt zu bewegen, halte ich für unklug. Am sichersten sind wir und andere, wenn wir uns möglichst nicht fortbewegen und weiterhin den Kontakt zu anderen Menschen minimieren. Das ist auf einer Reise unmöglich.
Und habt ihr nicht Angst, dass die Lage in Thailand wegen Corona eskalieren könnte?
Das Risiko gibt es, natürlich. Aber dieses Risiko gibt es im Grunde in jedem Land. In Deutschland denken wir nur, dass wir die Risiken besser abschätzen können, weil uns Land und Kultur vertrauter sind. Natürlich ist es ein wenig unheimlich, in einem Land festzusitzen, dessen Kultur und Sprache man nicht gänzlich versteht. Zu dem man nicht so richtig gehört. Aber es ist eben eine weltweite Ausnahmesituation. Niemand weiß, was kommt.
Was werdet ihr machen, sobald der ganze Corona-Spuk vorbei ist?
Wir haben großes Heimweh nach Pai. Im Moment ist der Norden von Thailand wegen Brandrodung unbewohnbar. Die schlechte Luft ist kaum auszuhalten und alles andere als gesund. Nun sieht es so aus, dass wir vielleicht mehrere Monate auch innerhalb Thailands nicht reisen können werden (und wollen).
Wir freuen uns also darauf, wieder nach Hause zu können, unsere Freunde zu sehen, mit unserer Tochter auf den Spielplatz zu gehen und endlich wieder in ein gemütliches Café zu gehen.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Nicht besonders viel, ehrlich gesagt. Für uns drei haben wir eigentlich alles, was wir brauchen. Ich wünsche mir natürlich, dass die Coronakrise irgendwann vorbei ist und dass die Folgen für alle Menschen handelbar bleiben. Und dass wir aus den momentanen Entwicklungen ein paar Dinge für unseren Umgang mit dem Klimawandel und anderen globalen Krisen lernen.
Und wie sehen eure weiteren Reisepläne mit Kind aus?
Wir machen eigentlich keine Pläne mehr. Wie man ja gerade sieht, weiß man sowieso nicht, was kommt. Wir sind inzwischen sehr gut darin geworden, ganz spontan große Pläne zu machen und die zur Not auch dreimal wieder umzuschmeißen. Wir haben theoretisch eine ellenlange Bucketlist, fühlen uns aber absolut nicht getrieben davon. Wir können leben, wo wir wollen, wir haben alles, was wir brauchen, wir haben keinen Stress.
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