Das ist Fakt. Denn Babys und kleine Kinder haben keine Vorurteile gegenüber dem Anderssein. In ihrer kleinen Welt spielen andere Bedürfnisse eine ausschlaggebende Rolle. Deswegen sind äußere Merkmale wie zum Beispiel Kopftuch oder andere Hautfarbe für sie völlig irrelevant. Viel wichtiger ist, dass sie sich geborgen fühlen und dass man ihre Aufmerksamkeit gewinnt. Oft reichen schon ganz einfache Dinge, wie ein herzliches Lächeln, etwas zu Essen oder ein lustiges Spiel – und schon sind sie dem Fremden freundlich zugewandt. Die Grenzen sind aufgehoben. Die Berührungsängste sind spurlos verschwunden.
Der Welt ohne Vorurteile begegnen
Dieses Phänomen beobachte ich bei meinem kleinen Sohn – vor allem, wenn wir gemeinsam auf Reisen sind. Und es fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Er hat diese kindliche wohlgesonnene Art, mit der er seiner Umwelt begegnet. Dabei interagiert er ohne jegliche Vorurteile – denn Vorurteile kennt er nicht. Soweit reicht seine Denkweise NOCH nicht. Er unterscheidet nur zwischen „mag ich“ oder „mag ich nicht“.
Die erste Begegnung mit einer Burka
Mit 10 Monaten hat mein Kind in Malaysia das erste Mal eine Frau in einer Burka gesehen. Sie erblickte meinen Sohn und kam auf uns zu. Ich dachte, dass er gleich hysterisch anfangen würde zu weinen, weil er Angst vor diesem dunklen, seltsamen Umhang hätte. Das Gegenteil war der Fall. Als die Frau bei uns war, öffnete sie den Schleier vor ihrem Gesicht, lachte ihn an und nahm ihn auf den Arm. Sie hatte es auf Anhieb geschafft. Die Frau in der Burka hatte seine Aufmerksamkeit gewonnen. Mein Sohn quiekte und jauchzte vor Freude, weil die Frau so lustige Fratzen machte. Beide hatten Spaß.
Verstehen ohne zu verstehen
Als mein Sohn knapp 1,5 Jahre alt war, reisten wir gemeinsam nach Bulgarien. In der kleinen Stadt Plovdiv kam ein alter Mann auf uns zu und fing an, uns irgendetwas auf bulgarisch zu erzählen. Freundlich wie ich bin, lächelte ich ihn an, versuchte ihm aber krampfhaft zu zeigen, dass ich ihn nicht verstehen kann. Das schien diesen freundlichen Mann aber nicht zu stören, unbeirrt fuhr er in seiner Erzählung fort. Ich war ein wenig verunsichert, wie ich reagieren soll. Doch mein Sohn übernahm in dieser Situation sprichwörtlich das Ruder und stimmte mit seinem brabbelnden Sprechen ins Erzählen mit ein. Plötzlich schienen, dieser alte bulgarische Mann und mein Sohn sich zu unterhalten. Beide erzählten vor sich her, gestikulierten wild und freuten sich des Lebens. Und obwohl sie beide nicht die gleiche Sprache sprechen, schienen sie sich gegenseitig zu verstehen.
Kleine Kinder kennen keine Sprachbarrieren
Apropos fremde Sprache, immer wieder fällt mir auf, dass es nicht zwingenderweise notwendig ist, die gleiche Sprache zu sprechen, um sich gegenseitig zu verstehen. Oft machen die Kinder es uns vor. Erst vor ein paar Tagen in Valencia lernte mein Sohn am Strand ein kleines Mädchen aus Kasachstan kennen. Die beiden waren sofort ein Herz & eine Seele – und verstanden sich problemlos. Natürlich sprachen beide eine unterschiedliche Sprache, aber das war nebensächlich bis völlig egal. Denn viel wichtiger war es, dass die zwei die gleichen Spiele mochten. Voller Inbrunst spielten sie Fangen (dieses Spiel scheint, auf der ganzen Welt sehr beliebt zu sein), warfen sich lachend auf den Boden, buddelten im Sand und kletterten auf alle Gegenstände. Bis zur völligen Erschöpfung. Gemeinsam mit den Eltern von dem Mädchen beobachteten mein Mann und ich die neuen Freunde – und dabei freundeten wir uns selber mit den Eltern aus Kasachstan an. Als die beiden Kinder dann anfingen, Händchen zu halten, ging uns allen das Herz auf. So schnell und einfach kann es manchmal im Leben gehen …
Erwachsene prägen die Weltanschauung ihrer Kinder
Laut einer Studie sollen sich bei Kindern angeblich im Alter von 5-7 Jahren verstärkt ethnische und nationale Vorurteile bilden. Ich glaube, dass das Fundament hierfür weit vorher geschaffen wird. Denn alle Kinder lieben es, die Erwachsenen zu imitieren und ihre Handelsweisen zu kopieren. Das beobachte ich tagtäglich bei meinem Sohn, der jetzt etwas über 2 Jahre ist. Oft muss ich lachen, wenn ich sehe, wie er mich nachmacht. Dann greift er sich die Kamera und will unbedingt auch Fotos machen, pullt die Kürbiskerne vom Brötchen oder läuft mit meinen Hausschuhen durch die Wohnung. In solchen Situationen wird mir immer wieder bewusst, was für eine große Verantwortung ich habe. Denn ich fungiere als sein großes Vorbild – und präge somit gleichzeitig sein Wesen als auch seine Weltanschauung.
Umso mehr freue ich mich, dass wir beide das große Glück haben, viel von der weiten Welt zu sehen. Denn mir persönlich ist es besonders wichtig, dass mein Kind sich zu einem offenherzigen Weltbürger entwickelt und keine Angst vorm Fremden hat. Denn schließlich muss man nur das Fremde kennenlernen – und schon ist es nicht fremd.
Begegnungen mit der Welt
Bereits in seinen jungen Jahren hat mein Sohn zahlreiche Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen weltweit gemacht. Auf einem Bahnhof irgendwo in Sri Lanka hat er mit einem Mann zusammen Musik gehört, in den Straßen von Phnom Penh hat er sich mit einem kleinen Mädchen angefreundet und von ihr mit Popcorn füttern lassen, in der Wüste Kolumbiens hat er sich mit einem Jungen auf Anhieb verstanden, weil sie beide das nervtötende Stühlerücken so sehr liebten, voller Hingabe fegte er in Bogotá mit einem Mädchen das ganze Hostel, in den Anden malte er gemeinsam mit einer indigenen Oma ein Bild und in Siem Reap in einem einfachen Straßenrestaurant spielte er mit den anderen Kindern Disko. Und auch wenn sich mein Kind an all diese Begegnungen nicht mehr erinnert, prägen sie dennoch sein Weltbild. Davon bin ich ganz fest überzeugt.
Kein Kind wird als Rassist geboren
Das ist Fakt. Denn die Vorurteile und Ängste gegenüber dem Fremden entwickeln sich erst in späteren Jahren. Und oft liegt der Ursprung bei uns Erwachsenen. Deswegen sollten wir Eltern bereits früh mit einer weltoffenen Erziehung beginnen. Ganz kleine Kinder fragen auf dem Spielplatz nicht nach Herkunft oder Religionszugehörigkeit. Denn in ihrer Welt spielen ganz andere Dinge eine wichtigere Rolle.
Je älter sie werden, desto mehr fallen ihnen Unterschiede auf. Klar kommen dann Fragen, warum das eine Kind dunkler ist oder warum die Mutter ein anderes Kleid trägt. Das liegt in der Natur der Kinder, denn sie sind neugierig. Jetzt liegt es an uns Eltern, wie wir mit solchen Situationen umgehen – und vor allem, WAS wir daraus machen.
Rassismus ist die Folge eines eingeschränkten Horizonts
Laut einer weiteren Studie ist es extrem unwahrscheinlich, dass Kinder, die mit Ausländern befreundet sind, später fremdenfeindliche Vorurteile bis hin zum Rechtsextremismus entwickeln. Dieser Überzeugung bin ich auch. Denn es müsste mit dem Teufel zugehen, dass mein Sohn irgendwann mal zum Rassisten wird und andere Menschen wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe, Muttersprache, Essenkultur oder Religion diskriminiert. Denn Rassismus ist die Folge eines eingeschränkten Horizontes. Wer sein eigenes Sichtfeld verlässt und über die Grenzen hinausschaut, dem fällt es auch nicht schwer, Andersartigkeit zu begrüßen – und in seine eigene Welt reinzulassen. Das versuche ich meinem Sohn tagtäglich vorzuleben. Denn schließlich muss man nur seine Heimat verlassen, um selber zu erfahren, wie es sich als Ausländer anfühlt.
Neonazis brüllen auf Mallorca: Ausländer raus
Erst vor Kurzem haben irgendwelche bekloppten tätowierten Neonazis auf Mallorca im Bierkönig eine Fahne mit Hakenkreuz geschwungen und dabei laut und ohne Sinn und Verstand gebrüllt: Ausländer raus. Mehr Dummheit ist kaum vorstellbar! Und es fällt mir schwer, mir auszumalen, was im Leben dieser Idioten alles schiefgelaufen ist, dass sie sich zu solchen Rassisten mit so einem extrem eingeschränkten Horizont entwickelt haben. Denn auch sie wurden nicht als Rassisten geboren. Und obwohl ich für dieses idiotische Verhalten absolut kein Verständnis habe, würde ich mir dennoch vom ganzen Herzen für sie wünschen, dass sie in ihrer Kindheit das große Glück gehabt hätten, ihre eigenen Begegnungen mit der Welt zu machen.
In der Welt der Kinder spielen andere Dinge eine wichtigere Rolle
Ich weiß, dass nicht alle Kinder die Möglichkeit haben, gemeinsam mit einer Frau in Burka in Malaysia zu lachen, mit anderen Kindern in den Straßen von Phnom Penh zu spielen oder mit einem Mann auf Sri Lanka Musik zu hören. Und auch wenn das Reisen (damit meine ich nicht Urlaub auf Mallorca im Bierkönig!) ungemein den persönlichen Horizont erweitert, hätte vielleicht diesen Neonazis in ihrer Kindheit einfach nur ein guter Spielkamerad genügt. Bei dem es ihnen egal gewesen wäre, woher er kommt, dass seine Mutter ein Kopftuch trägt oder die Familie keine Weihnachten feiert. Denn in der Welt der Kinder spielen ganz andere Dinge eine viel wichtigere Rolle. Und ich wünsche mir vom ganzen Herzen, dass sehr, sehr viele Kinder auch später in ihrem Leben diese Denkweise fortführen … und wir Erwachsene sie dabei unterstützen.
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7 comments
Comment by Jasmin
Jasmin Juni 22, 2017 at 7:59 pm
Hallo,
das ist ein ganz toller und wichtiger Artikel. Und ich stimme dir in allen Punkten zu. Mir geht seit ein paar Tagen ein Zitat nicht aus dem Kopf, dass ich im AirBerlin Magazin gelesen habe. In einem Artikel wird Materia (deutscher Hip-Hopper) zum Thema Reisen interviewt. Er sagt „Die Neugier muss immer größer sein als die Angst“. Und ich finde er hat so recht.
LG Jasmin
Comment by Gabriela Urban
Gabriela Urban Juni 23, 2017 at 11:17 am
Hallo Jasmin, das ist ein ganz schönes Zitat, dem ich ebenfalls zu 100% zustimmen kann. Genau so ist es! Und ich muss zugeben, dass es auch eins meiner Reisemottos ist. Denn meine Neugierde ist immer größer 😉 Ganz liebe Grüße Gabriela
Comment by Yvi Kej
Yvi Kej Juni 23, 2017 at 8:16 pm
Liebe Gabriela,
danke für diesen wunderbaren Artikel! Und danke für diese
wundervollen Bilder( das Letzte, sagt einfach alles).
Ich bin da voll bei dir und absolut der Meinung, dass wir Erwachsene
uns an genau sowas eine ganz große Scheibe abschneiden sollten/müssten.
Liebe Grüße
Yvi
Comment by Gabriela Urban
Gabriela Urban Juni 24, 2017 at 10:55 am
Hallo Yvi, vielen lieben Dank für deinen Kommentar – und auch fürs Teilen auf Facebook ;-)Ja, du hast recht, wir Erwachsene können von den Kindern lernen – und die Kinder lernen von uns. Das ist das Prinzip. Ein Nehmen und Geben … Ganz liebe Grüße Gabriela
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Comment by Babsi
Babsi August 4, 2017 at 3:43 pm
Ein wunderschöner Beitrag. Solche wie dieser motivieren mich darüber, dass noch nicht alle Hoffnung an unsere Menschheit verloren ist. 🙂
Comment by Gabriela Urban
Gabriela Urban August 4, 2017 at 6:29 pm
Danke für deinen schönen Kommentar. Solche lieben Kommentare motivieren mich auch ???? Und nein, ich glaube nicht, dass die Menschheit verloren ist – wenn wir unseren Kindern dazu verhelfen, gute Menschen zu werden … Ganz liebe Grüße Gabriela